Das Geschenk der Hingabe

Juni 6, 2015

Im Hatha Yoga gibt es eine wundervolle Asana, die ich von Anfang an als sehr wohltuend und entspannend empfand. Es ist die Vorwärtsbeuge im Sitzen, im Sanskrit auch "Paschimottanasana" genannt. Diese Position wird als die "Stellung der Hingabe" bezeichnet und das zu recht. Man gibt sich im Sitzen mit ausgestreckten Beinen und Armen und einem vorwärts gebeugten Rücken völlig dem eigenen Körper, vor allem aber dem Atem hin. 

Dabei geht es darum, loszulassen, sich fallen zu lassen und mit jedem Atemzug idealer Weise die Nasenspitze näher zu den gestreckten Oberschenkeln zu bringen. Ich genieße diese Yoga-Position immer sehr, da es nichts anderes zu tun gibt, als sich "hinzugeben". Sich dem Leben, dem Schicksal oder einer bestimmten, häufig ungewünschten, Situation hinzugeben, fällt uns meistens sehr schwer. Wir sind es gewohnt, Entscheidungen zu treffen, zu organisieren, zu planen, zu agieren und die Zügel fest in der Hand zu halten. Doch immer häufiger, so scheint mir, geschieht es, dass das, was wir uns in unseren Köpfen so klug ausgedacht hatten, partout nicht funktioniert, dass sich Pläne nicht realisieren lassen oder dass wir von unerwarteten Ereignissen überrascht werden. Da es so angelegt ist, dass wir Menschen grundsätzlich einen freien Willen haben, können wir in solchen Situationen unterschiedlich reagieren. Ganz oft ist es so, dass wir mit bestimmten Umständen hadern, dagegen ankämpfen oder uns vehement dagegen wehren, obwohl wir wissen, dass wir damit nicht viel ausrichten, außer dass es uns Kraft kostet und Unruhe schafft. Wir haben aber auch die Möglichkeit, mit einer gewissen Demut an Situationen heranzugehen, indem wir uns ganz darauf einlassen, was geschieht, ohne zu bewerten oder zu kämpfen. Den meisten fällt das alles andere als leicht. Wenn wir Hingabe aber als Geschenk und bestimmte Situationen aus einer höheren Warte betrachten, können wir lernen, mehr und mehr zu vertrauen, dass es eine göttliche Kraft gibt, die jederzeit nur das Beste für uns bereit hält. So können wir Frieden mit ungeliebten Umständen und uns selbst schließen. Mit der Zeit hören wir dann auf zu kämpfen oder uns und andere in Frage zu stellen. Nach und nach wird es uns leichter fallen, zu entspannen und mehr in den Fluss des Lebens zu kommen. Es wird uns stärker bewusst werden, dass alles jederzeit seine Richtigkeit hat. Wenn wir uns mehr dem Leben und der göttlichen Ordnung hingeben, werden wir offener für neue Situationen und für das, was kommt - ohne ein bestimmtes Ergebnis zu erwarten. Wir erhalten besseren Zugang zu unserer Intuition sowie zu geistigen Wesen, die uns unterstützen. Letztendlich bedeutet Hingabe aus meiner Sicht vor allem Hingabe an uns selbst und Akzeptanz dessen, was und wie wir sind. Das schafft inneren und äußeren Frieden und nicht zuletzt kommen dadurch mehr Freude und Leichtigkeit in unser Leben. 

"Sich im Herzzentrum zu konzentrieren, sich dem Göttlichen hinzugeben, das Streben nach diesem inneren Öffnen und nach der Gegenwart im Herzen ist der erste Weg, der natürliche Anfang."

Sri Aurobindo
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